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der unsensible mensch

Der unsensible Mensch.

Wenn Kinder auf die Welt kommen und sie als Neugeborene eine Stimme hören, dann wenden sie der Geräuschquelle nicht den Kopf zu. Sie heben Hände und Füsse und nutzen diese als Radare.
Sie fangen den Schall auf.
Und nehmen so wahr.

Wir alle waren einst Neugeborene.
Mit der Zeit verlor sich das.
Wir stiegen auf die Ohren um, anstatt mit unserer Haut zu empfangen.

Und langsam aber sicher, mit den Jahren, der Erziehung und der Erfahrung, entschärften wir unsere Sinne und landeten irgendwann in der coolen Unsensibilität.

Sensible – im Französischen steckt darin das Wort „les senses“ – die Sinne.

Wenn wir sensibel sind, sind wir in unseren Sinnen. Im Deutschen gibt es den Begriff „sinnlich“, allerdings wird darunter eher die Erotik abgebucht. Schade eigentlich. Sinnlichkeit ist weit mehr.

In meinem Menschenbild entspricht der sensible Mensch der Normalität.
In unserer Gesellschaft haben sich die Normen verschoben und so gibt es den „normalen“ Menschen und die „hochsensiblen“ Menschen.
Für mich gibt es keine hochsensiblen Menschen.
Das, was heute unter „hochsensibel“ abgespeichert wird, ist für mich einfach ein Mensch, der in seinen Sinnen lebt. Und das wiederum gehört für mich zum Menschsein. So wie wir eben alle ursprünglich auf die Welt kamen.

Dadurch, dass wir bestimmte Menschen mit dem Etikett „hochsensibel“ versehen, schaffen wir eine Kluft in die falsche Richtung. Wir sondern ab und stellen diese Menschen als „anders“ dar. (Ihr seht, ich habe Mühe mit den Begrifflichkeiten, denn wir können jetzt wortklauben und klugscheissen über „anders“ und „normal“, doch es geht mir nicht darum, also bitte erspart mir Kommentare in diese Richtung, sie wären nur Geblubber. Ich versuche, etwas zu differenzieren mit Worten, die wir oftmals unachtsam benutzen.)

Dabei sollte eigentlich der unsensible Mensch – also den wir unter „normal“ abbuchen – unter das Etikett „anders“ fallen.
Unser Wertesystem stimmt nicht.

Der unsensible Mensch.
Ich beschäftige mich viel mit ihm, denn ich glaube, dass Sensibilität wieder erlernt werden kann.
Und damit arbeite ich.
Ich schärfe die Sinne der Menschen.

Ich sehe an mir selbst, dass meine Sinnesschärfe sich immer weiter entwickelt, je mehr ich mich mit ihr befasse. Es ist ein stetes Lernen. Nicht nur das Schärfen der Sinne und somit der Wahrnehmung, sondern auch mein Umgehen damit. Wobei der zweite Punkt fast schwieriger ist.

Wie komme ich in einer entsinnten und sinnentleerten Welt mit meinen Sinnen zurecht?
Ist aber ein anderes Thema.

Ich selbst hatte mich als junger Mensch zugekleistert und eingemauert. Ich wollte nicht fühlen und noch weniger, von meinen Empfindungen und Wahrnehmungen überwältigt sein. Damals fiel bei mir alles unter „überwältigend“, was mich aus meiner coolen Maske brachte.
Cool muss nicht kühl sein.
Ich buche darunter alles ab, was der Idee entspricht, die wir uns von uns selbst machen.
Anstelle dessen, was wir sind.
Und wir sind in der Basis alle sensible Menschen, gell?

Nicht vergessen.
Als erwachsener Mensch haben wir Entscheidungsfreiheit.
Wir sind nicht mehr ausgeliefert, auch wenn wir uns immer mal wieder so fühlen. Doch wir SIND es nicht. (Wieder stossen Idee und Wirklichkeit aufeinander.)

In unserer Entscheidungsfreiheit können wir wählen, ob wir uns auf den Weg begeben, unsere Sensibilität wieder aufzudecken und freizulegen.
Oder ob wir weiter verstumpfen.
Und menschlich verkümmern.

Ihr seht, ich mache da wirklich einen bösen Schnitt, wenn ich sage, dass das normale Level des Menschseins dort ist, wo wir gesellschaftlich die Hochsensibilität hinordnen. Denn dadurch werden diese Ausnahmemenschen plötzlich normal und der in seiner Sensibilität unterentwickelte Mensch findet sich plötzlich unter dem normalen Level.
Eine freche Provokation.
Sehr bewusst gesetzt.

In unserer Gesellschaft ist vieles verschoben.
Wir erkennen Status, Besitz, Machtmissbrauch, Gelddiktatur, Umweltterror etc als normales Level an und haben somit die wunderbare Entschuldigung, uns das Ausser-Ordentliche nicht anschauen zu müssen.
Das tun dann eben die Aussen-Seiter für uns. Zu denen passt es ja. Gell?

Für mich ist der unsensible Mensch der Aussen-Seiter.
Er steht aussen vor.
Er ist nicht IM Menschsein.

Was braucht es noch alles, werter Mensch, damit deine Sehnsucht sich entfacht, deine Sinne wieder zu spüren?
Wie unsensibel bist du und was bringt es dir als Mensch (!), weiterhin in dieser Taubheit zu verweilen? Was bringt dir Taubheit?

Ehrliche Fragen.
Sucht ehrliche Antworten.
Immer wieder.

Es ist ein stetes Lernen, wie ich schon sagte. Saperlott!
Eine intolerante Morgenpredigt, die ich da von mir gebe. Ja. Gewöhnt euch dran. Es ist an der Zeit, aufzuwachen. Ich wecke nicht mit Morgenbussi. Ich wecke mit einem Kübel voll kaltem Wasser. In diesem Sinne:

Guten Morgen.